Care-Arbeit ist MehrW€rt! Die vernachlässigte Ökonomie der Sorgearbeit

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Professorin em. Prof. Dr. Meier-Gräwe bei einem Vortrag
Professorin em. Prof. Dr. Meier-Gräwe bei einem Vortrag Caritas

Veranstaltung des Dortmunder Aktionsbündnisses zum Equal Pay Day 2021.

Da der diesjährige Equal Pay Day im März auch wieder der Corona-Pandemie zum Opfer fiel, hatte sich das Aktionsbündnis darauf verständigt, ihn in diesem Jahr im Oktober nachzuholen. Dann, wenn die Frauen nach der aktuell gemessenen Lohnlücke „Gender Pay Gap“ (18%) bis zum Jahresende im Vergleich zu den Männern zwar nicht umsonst, aber gratis arbeiten.

Bei der Online-Veranstaltung am 28.Oktober referierte Professorin Uta Meier-Gräwe, die am ersten und zweiten Gleichstellungsberichte der Bundesregierung (2011-2017) mitgewirkt hat, über die vernachlässigte weibliche Ökonomie und ihrer fatalen Folgen für das Einkommen von Frauen. Nicht nur die aktuelle Lohnlücke muss betrachtet werden, sondern alle Entscheidungen und Einschnitte in verschiedenen Lebensphasen von der Berufswahl über Familiengründung, Carearbeit, Trennung und Scheidung, beruflichem Wiederseinstieg, Karriereknick und –übergänge haben langfristige finanzielle Auswirkungen. Auf den Gender Lifetime Earnings Gap bezogen sagt Prof*in Meier-Gräwe: „Heute 35-jährige Mütter mit Kindern haben trotz guter und sehr guter Bildungsabschlüsse in Westdeutschland ein um 62% geringeres Lebenserwerbseinkommen zu erwarten als die männliche Vergleichsgruppe. Im Gegensatz dazu wirkt sich die Vaterschaft auf das Lebenserwerbseinkommen von Männern nicht nennenswert aus. Die Angst der Frauen vor Altersarmut, die in der aktuellen Brigitte-Studie 2021 von 60 % der befragten Frauen geäußert wurde, hat also einen durchaus realistischen Hintergrund.“ Während kinderlose Frauen zu den Männern aufschließen, liegen Mütter laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung/Prognos 2020 im Vergleich besonders stark zurück.

Die deutliche finanzielle Schlechterstellung von Frauen resultiert darüber hinaus aus der Unterbewertung der systemrelevanten Care-Berufe, in den Frauen überdurchschnittlich häufig tätig sind. 80% der Beschäftigten in den SAHGE-Berufen - Soziale Arbeit, Haushaltsnahe Dienstleistungen, Gesundheit/Pflege, Erziehung - sind weiblich. Charakteristisch für diese Berufe sind eine hohe Arbeitsintensität und ein stark unterdurchschnittliches Lohnniveau.

All diese Belastungen haben sogar zur Folge, dass die gesunden Lebensjahre im Alter von Frauen mit 65 in Deutschland von 2000 bis 2012 um 3 Jahre gesunken sind, während sie in Schweden und Dänemark zum Beispiel um mehrere Jahre gestiegen sind..

Wie kann die notwendige Fürsorgearbeit gesellschaftlich neu organisiert werden?

Prof.*in Meier-Gräwe, die auch Kolumnistin beim Handelsblatt zum Thema Care ist, mahnt deshalb u.a. an, dass es dringend geboten ist, die hochanspruchsvollen SAHGE-Tätigkeiten gegenüber gleichwertigen „Männerberufen“ entsprechend gleichwertig zu bezahlen und daraus existenzsichernden „Lebensberufen“ zu machen. Außerdem schlägt sie die Abkehr vom Familienernährermodell, dem Zuverdienst- oder auch Doppel-Vollzeitmodell vor, hin zu einem Erwerbs-und –Sorge-Modell, bei dem zum Beispiel Eltern von Kindern bei entsprechendem Lohnausgleich jeweils 30 Stunden arbeiten. Sorgearbeit kann nicht nur unterbezahlte bzw. kostenlos oder im Ehrenamt zu erbringende Reproduktionsarbeit bleiben, sondern sie ist der Sockel unseres gesellschaftlichen Wirtschaftens.

Dass private und öffentliche Sorgearbeit Mehrw€rt ist, da war sich die sehr interessiert Zuhörerschaft in der von Andrea Blome anschließenden bestens moderierten Diskussion einig!

Im beigefügten Vortrag erfahren Sie viele weitere Fakten, Facetten und Forderungen in den umfangreichen Betrachtungen von Prof*in Uta Meier-Gräwe zu diesem Thema.

Anhänge:

Carearbeit ist Mehrw€rt - 28.10.21 Prof. Meier-Gräwe in DO.pdf

Autor*in
Barbara Hauenstein