Verändern oder ins Museum?

In dieser Woche feierten wir den 20. Geburtstag der PEAG GmbH. Das dazu veranstaltete Symposium gab die Gelegenheit, noch einmal einen Blick auf die Geschichte der Stahlfusion von 1997, auf die ersten Schritte der gestaltenden Strukturpolitik der Stadt Dortmund, auf den Wandel unserer Wirtschaftsstruktur und auf die zukünftigen Herausforderung betrieblicher Personalwirtschaft zu werfen. 

Selbstverständlich spielte auch die Digitalisierung in der dortigen Diskussion eine große Rolle.

Der Arbeitsdirektor der thyssenkrupp AG, Oliver Burkhard, hob in der spannenden Diskussion hervor, dass "die Digitalisierung kurzfristig überschätzt und langfristig unterschätzt" werde und warnte gleichzeitig davor, in der heutigen Berufsberatung den Menschen, die einen Beruf mit dualer Ausbildung ergreifen möchten "mit Ängsten und Warnungen zu begegnen." Diese Beratung könnte im Ergebnis auch dazu führen, dass "wir einen neuen Engpass von Fachkräften in der Zukunft, quasi selbstverschuldet produzieren."

Bei der kurzfristigen Überschätzung der digitalen Dynamik geht es um die Überhöhung der möglichen sofortigen Wirkungskraft der neuen digitalen Technologien im klassischen verarbeitenden Gewerbe und bei den öffentlichen Infrastrukturen. Die große Erzählung der digitalen Revolution und die nüchterne Realität in den produzierenden Unternehmen aus dem Mittelstand fallen noch immer deutlich auseinander. Bei den SmartCity-Diskussionen bewegen wir uns zwischen Luftschlössern und Luftverschmutzung. 

Wenn nun aber aus dieser aktuellen Situation heraus angenommen würde, dass es mit der Digitalisierung doch nicht so weit her sei, der "Hyp" sich auch wieder legen würde, dann käme es in der Tat zu jener Unterschätzung der Digitalisierung in der langfristigen Entwicklung. Ich möchte dazu aus einem ganz anderem Bereich zitieren. Der Intendant von Radio Bremen, Jan Metzger, sagte vor Kurzem in einem Interview, auf die Frage wie es um die Digitalisierung bei Radio Bremen stünde, folgendes: 

"Ich lasse mal die technische Seite außen vor und stelle stattdessen das Nutzererlebnis in den Mittelpunkt – denn das ist die entscheidende Veränderung. Die Mediennutzung verlagert sich immer mehr in Richtung Mobile Devices und damit verändern sich die Ansprüche. Besonders die jüngeren Zielgruppen haben die Gewohnheit und den Anspruch, jeden beliebigen Inhalt jederzeit, an jedem Ort und auf jedem Endgerät nutzen zu können. Diese Erwartungshaltung macht es nötig, dass wir unsere Medien anders produzieren und anders verbreiten als bisher. Wir müssen dorthin, wo die Leute Medien konsumieren."

Er führt weiter aus: "Zum anderen geht es um die wachsende Anzahl von Plattformen – das ist für uns fast noch entscheidender. Ein immer größerer Teil des Medienkonsums verlagert sich auf neue Plattformen wie Netflix, Facebook, YouTube, Amazon, Google und so weiter. Diese Plattformen sind zunächst als technische Dienstleister angetreten und entwickeln sich jetzt immer mehr zu Inhalte-Produzenten. In dieser ständig wachsenden Plattformlandschaft sind unsere eigenen Plattformen ein kleiner werdender Teil. Damit müssen wir umgehen." 

Schließlich spitz der Intendant zu: "Die 15- bis 25-Jährigen gucken kaum noch lineares Fernsehen. Sie hören noch überraschend viel UKW-Radio, das scheint noch in den Jugendzimmern zu stehen, weil es preiswert ist, sehr bequem und einen hohen Nutzwert hat. Das ist im Moment noch so – aber wenn wir noch zehn Jahre weiter sehen, dann wird sich unser Umfeld noch mehr verändert haben. Wenn wir uns also nicht auch verändern, dann landen wir im Museum." 

Besser kann man die langfristigen Entwicklungen nicht auf den Punkt bringen. Übrigens arbeitet Radio Bremen seit nunmehr sieben Jahren in einem komplexen Change-Prozess an organisatorischen Anpassungen, um den neuen Anforderungen der Digitalisierung gerecht zu werden. 

Aus diesem Change-Prozess können wir als Wirtschaftsförderung etwas lernen. Die Medien organisieren sich nicht mehr getrennt in Sparten wie Radio, Fernsehen, Online und Social Media, sondern organisieren sich um bestimmte Inhaltskerne herum. Integrierte, kundenorientierte Themenarbeit statt Sparten- oder Abteilungsabgrenzung, das ist auch für eine moderne Wirtschaftsförderung die richtige Maxime.

Ich zitiere zum Abschluss noch mal den Intendanten von Radio Bremen: "Die große Kunst besteht für uns darin, so schnell zu sein wie der Markt – oder zumindest nicht viel langsamer zu sein. Sonst erreichen wir irgendwann nicht mehr die Leute, die uns bezahlen und können unseren Auftrag nicht mehr erfüllen."

Dem ist nichts hinzuzufügen.

 

Autor*in